spiegel.de: Quasseln im Netz

Udo

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Man spricht IP
Von Holger Dambeck

Kann man ein Telefon ans Internet stecken? Was für einen Stecker braucht man dafür? Und wie telefoniert es sich überhaupt in kleinen Paketen, die durch das Internet sausen? Ein Erfahrungsbericht am Beispiel Sipgate.

Auf den ersten Blick sieht das Internettelefon aus wie ein richtiges Telefon. Das ist ja schon mal Vertrauen erweckend. Schaut man genauer hin, dann wähnt man sich vor einem Spielzeugapparat. Die riesigen Zifferntasten im fernöstlichen Design lassen Zweifel aufkommen. Kann das Ding wirklich telefonieren? Und zwar im Internet?

Es kann. Man braucht nur einen DSL-Anschluss und einen Router, mit dem PC und Telefon gemeinsam ins Internet gehen. Sobald das Netzwerk-Kabel eingestöpselt ist, meldet sich das Asiafon automatisch beim Anbieter Sipgate an - und das Telefonieren kann beginnen.

Wer je versucht hat, an einem PC über Headset mit Freunden im Web zu telefonieren, dürfte staunen. Wo sind die üblichen Konfigurations-Orgien? Keine IP-Adresse muss festgelegt oder abgefragt werden, kein Codec ausgewählt - die IP-Telefonie hat einen großen Sprung gemacht.


Schlau wie ein ISDN-Apparat

Das Telefon meldete sich unter einer Nummer aus Düsseldorf. Mittlerweile hat Sipgate auch Anschlüsse mit Hamburger, Essener oder Nürnberger Vorwahl im Angebot. München, Köln, Stuttgart, Flensburg und Berlin sollen in den nächsten Wochen folgen. Alternativ stehen noch Einwahlnummern in Redding und London zur Verfügung.

Das Grandstream ist so intelligent wie ein ISDN-Telefon und merkt sich automatisch alle Nummern von Anrufern. Übrigens nicht nur der Apparat selbst, auch der Sipgate-Server führt eine solche Aufstellung. Via Internet sind sämtliche Listen von beantworteten und unbeantworteten Anrufen abrufbar - Geheimdienste und sonstige Lauscher reiben sich die Hände.

Bei der Tonqualität überzeugt das Grandstream nur teilweise. Obwohl laut Sipgate eine mit ISDN vergleichbare Kompression bei der Audioübertragung zum Einsatz kommt, entsprach der Klang eher einer guten Handyverbindung.

Die Preisgestaltung ist so, wie man sie sich wünscht: Keine Grundgebühr, kein Mindestumsatz, das Telefon selbst schlägt mit 99 Euro zu Buche. Gespräche ins deutsche Festnetz kosten rund um die Uhr 1,8 Cent - nur wenige Call-by-Call-Anbieter können das unterbieten.

Das Telefon funktioniert tatsächlich wie ein ganz normales Telefon - allerdings mit zwei Einschränkungen: Wer beim Telefonieren einen größeren Upload vom PC startet, etwa mehrere Digitalfotos per E-Mail verschickt, wirft sich selbst aus der Leitung. Standard-DSL-Anschlüsse erlauben nur einen Upload von 128 Kilobit je Sekunde, mehr als die Hälfte davon benötigt das Internettelefon exklusiv für sich - da kann es schnell eng werden.

Sipgate will im Laufe der nächsten vier bis sechs Wochen eine zusätzliche Box anbieten, die solche unfreiwilligen Gesprächsabbrüche vermeiden sol. Wichtig ist den Düsseldorfern auch der Hinweis, dass es normalerweise allenfalls zu einer Verminderung der Sprachqualität komme. Das Problem, die "Quality of Service" unter allen Bedingungen aufrecht zu erhalten, teile man zudem mit allen Konkurrenten. Das aber sei eine technisch bedingte Übergangsphase, die noch vor dem Sommer erledigt sei: "Alle arbeiten da zurzeit an Lösungen."

"Alle", das sind in Deutschland neben Sipgate die Anbieter Broadnet-Mediascape, Freenet, Nikotel und QSC. Einen aktuellen Preisvergleich der Anbieter brachte das Computermagazin "c't" in seiner Ausgabe 9/2004.

Das zweite Manko betrifft das Angerufen-Werden, das nicht immer klappt. Sobald man einen Tag lang nicht telefoniert hat, klingelt das Telefon nicht mehr, obwohl beim Anrufer selbst das Klingeln zu hören ist.

Firewall würgt Anrufer ab

Schuld ist, wie eine Nachfrage bei der Hotline ergab, der Router. Darin steckt eine Firewall, die vor Angriffen aus dem Internet schützen soll. Dummerweise interpretiert der strenge Wächter eingehende Anrufe als Sicherheitsrisiko und lässt diese nicht passieren.

Hat man aber aber wenige Minuten vor einem eingehenden Gespräch selbst mit dem Internettelefon angerufen, klingelt das Asiafon brav, wie es sich gehört. "Ihr Router weiß vom vorherigen Gespräch noch, dass unser Sipgate-Server ein freundlicher Server ist, schließlich haben Sie ja beim Telefonieren die Verbindung zu ihm aufgebaut", erklärt ein Hotline-Mitarbeiter. "Nach ein paar Stunden vergisst das der Router aber wieder." Aha! Der Router vergisst. Wieder was gelernt.

Mit einer Änderung der so genannten DMZ-Einträge am Router - da ist es also doch noch, das altbekannte Konfigurieren - lässt sich dieses Vergessen abschalten. Fortan gilt der Sipgate-Server als guter Kumpel des Telefons und dieses klingelte tatsächlich immer, wenn es das sollte.

Seltsam außerdem, dass das Grandstream dem europäischen Benutzer asiatische Telefongewohnheiten aufnötigt. Die Lautsprechertaste, eigentlich zum An- und Abschalten des Laut-Mithörens gedacht, beendet beim Abschalten nämlich kurzerhand das Gespräch. "Das ist vom Telefonhersteller so gewollt", erklärt ein freundlicher Herr von Sipgate. In Asien sei dies so üblich. Mindestens einen Haken hat die Internettelefonie also doch noch, wenn auch nur kleinen.


QUELLE: SPIEGEL ONLINE - 22. April 2004, 11:12
 
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