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Christoph

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Klingeling! - Internet-Telefonie vor dem Durchbruch
[Von ftd.de, 21:38, 11.07.04]

Die Internet-Telefonie steht vor dem Durchbruch. Mit günstigen Preisen und komfortablen Geräten jagen Onlineanbieter der Deutschen Telekom immer mehr Kunden ab.

Martin Siller lebt in Hamburg, seine Freundin in Bangkok. Und wenn er sie anruft, dauern die Gespräche gerne einmal etwas länger. Früher nahm der Student für die Überseetelefonate jeden Monat dicke Rechnungen in Kauf. Seit sechs Wochen telefoniert er übers Internet - und zahlt für eine Minute nach Thailand nur noch 12,5 Cent. Sein altes Telefon hat er einfach mit einem Adapter an den Internetanschluss seiner Wohngemeinschaft gestöpselt. "Die Qualität der Verbindung ist sogar besser als beim herkömmlichen Telefonieren", sagt Siller. Das nutzt auch der Fernbeziehung: Der Hamburger spricht mit seiner Liebsten mittlerweile auch in ihrer Muttersprache, und je nach Tonlage kann dasselbe Wort in Thai "Großvater" oder "Krabbe" bedeuten.
Wie Siller entscheiden sich immer mehr Internetnutzer, auch ihre Telefongespräche übers World Wide Web zu führen. Lange galt Internet-Telefonie als Spezialität für Technikfreaks, die sich nicht scheuten, für jedes Gespräch den Rechner hochzufahren, Kopfhörer und Mikrofon anzulegen und die Lautstärke auf Maximum zu drehen, weil der Ton so verrauscht war. Jetzt preschen Onlineanbieter mit Angeboten vor, die auch für Normalverbraucher attraktiv sind - mit herkömmlichen Telefonen und guter Sprachqualität. Die Deutsche Telekom sorgt sich, dass ihr wichtigster Umsatz- und Gewinnträger, das Festnetz, weiter unter Druck gerät.
Die neue Technik, die in der Branche Voice over Internet Protocol (VoIP) genannt wird, steht an der Schwelle zum Massenmarkt. Deutschlands zweitgrößter Onlineanbieter Freenet vermarktet Internet-Telefonie seit einem Monat zusammen mit seinen schnellen DSL-Anschlüssen, Rivale United Internet legt am Montag mit einem ähnlichen Angebot nach. Und bis Jahresende will Arcor, der größte Telekom-Rivale, seinen DSL-Nutzern Internet-Telefonie anbieten. "VoIP startet als Nischenprodukt und wird nach und nach an Bedeutung gewinnen", prophezeit Arcor-Chef Harald Stöber.

Angriff aufs Telekom-Festnetz

Das Angebot stößt auf reges Interesse: Sechs Prozent der Deutschen wären nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens Jupiter bereit, übers Internet zu telefonieren. Sipgate, der Provider des Hamburger Studenten Siller, vermeldet bereits "fünfstellige Nutzerzahlen". In Japan, wo teure Festnetzgespräche der früheren Staatsgesellschaft NTT und eine radikale Deregulierung neuen Techniken den Weg bereitet haben, telefonieren bereits mehr als vier Millionen Menschen über ihren Internetanschluss.
Noch ist die Deutsche Telekom mit rund 50 Millionen Kunden im Telefongeschäft hier zu Lande unangefochtener Spitzenreiter. Dennoch bereitet den Managern in der Bonner Konzernzentrale der Trend zur neuen Technik Kopfzerbrechen. Festnetztelefonie - Spottname "POTS" (Plain Old Telephone System) - spielt derzeit mit Abstand das meiste Geld ein. Der ehemalige Monopolist kassiert entweder beim Besitzer des Telefonanschlusses oder bei den Wettbewerbern, die über "Preselection" oder "Call-by-Call" Netzkapazitäten bei der Telekom anmieten müssen. In jedem Fall gilt: Je mehr Gespräche über das Netz geführt werden, desto lauter klingelt die Kasse der Telekom.
Die neue Onlinekonkurrenz schmerzt die Telekom noch mehr als die Festnetzrivalen. Sie zieht bei der Telekom nicht nur Telefonkunden ab, sie zahlt auch deutlich weniger für die Nutzung der Telekom-Infrastruktur als die Wettbewerber im Festnetz. Der Anbieter, der dem Endkunden einen Internetanschluss mit Telefoniermöglichkeit verkauft hat, zahlt an den Bonner Konzern lediglich eine pauschale Nutzungsgebühr. Ob die VoIP-Nutzer 100 Minuten telefonieren oder 100.000, spielt für die Höhe des Entgelts keine Rolle. Eine Abrechnungskonstruktion, die noch aus Zeiten stammt, in denen man sich nicht vorstellen konnte, dass Telefongespräche einmal auf demselben Weg übertragen werden könnten wie E-Mails.

VoIP als Bonus

"VoIP ist plötzlich ein Thema für die großen Telekomanbieter geworden", konstatiert Roman Friedrich, Telekommunikationsexperte bei der Unternehmensberatung Booz, Allen, Hamilton. "Sie suchen unter Hochdruck nach Lösungsansätzen, um auf die neuen Angebote zu reagieren."
Die Preise geraten ins Rutschen. Die meisten Offerten bieten VoIP als Bonus zu ihren Internetpaketen an, um zusätzliche Kunden zu gewinnen. "Damit können wir unser DSL-Angebot aufwerten und uns differenzieren", sagt etwa Freenet-Chef Eckhard Spoerr.
Weil die Firmen durch die Internet-Telefonie kaum zusätzliche Ausgaben haben, wird der Service zumeist zum Selbstkostenpreis angeboten. "Wenn ich die Bandbreite im Netz habe, ist es egal, ob darüber eine Website aufgerufen oder Sprache transportiert wird", sagt Spoerr. Bei Freenet kostet ein VoIP-Gespräch mit einem Festnetzkunden der Telekom innerhalb Deutschlands einheitlich 1 Cent pro Minute. Die Telekom verlangt tagsüber für ein Ferngespräch von einem Standardanschluss aus 12 Cent.

Weniger Kunden, weniger Gebühren

In der Bonner Konzernzentrale versucht man, sich dem Trend sinkender Einnahmen entgegenzustemmen und seinen Marktanteil zu verteidigen. Seit Jahren wird die Grundgebühr beständig erhöht - schließlich benötigen auch Kunden, die sich über einen Dienst der Konkurrenz ins Netz einwählen, zum Großteil einen Telefonanschluss der Telekom. Zugleich sinken die Minutenpreise, um Telekom-Kunden vom Wechsel zu günstigeren Wettbewerbern abzuhalten.
Ob die Strategie aufgeht, ist fraglich. So ist es der Telekom im ersten Quartal dieses Jahres nicht gelungen, den Rückgang bei den Einnahmen aus Verbindungsminuten mit dem Zuwachs bei den Anschlussgebühren auszugleichen. Was mit dem Aufkommen der Konkurrenz im Festnetz begann, setzt sich mit der Internet-Telefonie fort. "Der Druck auf das Festnetzgeschäft wird sich durch VoIP mittel- bis langfristig deutlich verstärken", glaubt Marcus Sander, Analyst bei Sal. Oppenheim.
Gefahr oder Chance? Die neue Technik führt innerhalb des Konzerns zu Interessenkonflikten zwischen der Festnetzsparte T-Com und der Internettochter T-Online. "Während T-Com Umsatzeinbußen bei herkömmlichen Telefonaten befürchten muss, wird T-Online darauf dringen, seine DSL-Angebote mit Internet-Telefonie zu verknüpfen", vermutet Sander.

Gefahr oder Chance?

Bei beiden Töchtern brüten Arbeitsgruppen über VoIP-Angeboten. Spätestens bis zum Jahresende will die Telekom eigene Produkte auf den Markt bringen. Rhetorisch treten die Festnetzmanager jedoch auf die Bremse: "Reines VoIP macht nur Sinn, wenn man mehr bieten kann", sagt ein T-Com-Manager. So wollen die Bonner mit dem Gespräch auch das Videobild des Telefonpartners übertragen. Wohnungen sollen sich per Web-Kamera telefonisch überwachen lassen.
Unterdessen drängen mehr und mehr Wettbewerber auf den deutschen Markt, darunter potente ausländische Anbieter, die einen neuen Preiskampf entfachen könnten. Der amerikanische Telefonkonzern AT&T etwa will hier zu Lande mit VoIP auf Kundenfang gehen - ohne selbst ein teures Netz für Sprachtelefonie aufbauen oder anmieten zu müssen.
Dass sich die Internet-Telefonie ausbreiten wird, ist unter Experten ausgemacht. Wie schnell dies geschieht, hängt vor allem von der Verbreitung schneller Internetzugänge ab. HVB-Analyst Sander erwartet, dass sich die Zahl der DSL-Anschlüsse in Deutschland bis 2007 auf rund zehn Millionen verdoppelt. Jeder fünfte Telekom-Kunde könnte somit - theoretisch - per Internet telefonieren.
Einfach zu bedienende Technik beschleunigt die Verbreitung. "Sie bekommen eine Blackbox", wirbt Frank Brückmann, Chef des Hamburger Anbieters Broadnet Mediascape. "Da können Sie Ihr analoges Telefon anschließen und loslegen."

Neue Einsatzmöglichkeiten

Potenzial bietet das Internet auch für Orte, die für herkömmliche Telefone bislang unerreichbar waren. So rüstet das Hamburger Unternehmen WLan International Yachthäfen rund ums Mittelmeer mit einem Funknetz aus, in dem Internetdaten übertragen werden können. Neben dem Wetterbericht und Informationen für die Navigation bietet die Firma Skippern ein drahtloses Telefon an, das in allen angeschlossenen Häfen funktioniert. Zurzeit kostet das Gerät stolze 400 Euro. "Die Preise müssen noch runter", sagt WLan-Vorstandschef Ludolf von Löwenstern. "Aber ich bin mir sicher, dass das in drei oder vier Jahren für viele eine schöne Sache sein wird."
Für den Studenten Siller ist sein Internet-Telefon längst ein treuer Reisebegleiter. Wenn er in wenigen Tagen zu einem längeren Aufenthalt nach Thailand aufbricht, ist das Gerät samt Adapter mit im Gepäck. Sogar die Nummer reist mit. Für seine Eltern in Schwäbisch Hall ist er auch in Bangkok zum Preis eines deutschen Ferngesprächs erreichbar.

Quelle: boerse-online.de
 

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