Was sich mir vor allem nicht erschließt: Vor sieben Jahren wurde das ZugErschwG wegen Protesten aus der Bevölkerung und wegen Unsinnigkeit der dort festgelegten Maßnahmen wieder abgeschafft ... die Historie und die gegen Internetsperren an sich vorzubringenden Argumente kann sich jeder z.B. auf der
Webseite des "AK Zensur" ansehen, der vor nunmehr 9 Jahren genau deshalb ins Leben gerufen wurde, weil das ZugErschwG sich abzeichnete bzw. dann irgendwann beschlossen wurde.
Das, was damals beim gesellschaftlich akzeptierten Thema "Kampf gegen Kinderpornographie" als untaugliches Mittel erkannt, abgelehnt und kurze Zeit später (Ende 2011) auch wieder offiziell abgeschafft wurde (während es nie richtig zur Anwendung kam, weil das BKA angewiesen wurde, die Veröffentlichung der Sperrlisten zu unterlassen) ... das soll jetzt auf einmal ein taugliches Mittel zur Durchsetzung
privatwirtschaftlicher Interessen einer
Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz sein, der diese "Constantin Film AG" aus Unterföhrung seit 2009 zu 100% gehört?
Das war hier ja "nur" eine einstweilige Verfügung und es soll ja schon so manches Mal vorgekommen sein, daß so etwas einigermaßen unüberlegt durchgewunken wurde - auch die "räumliche Nähe" des Firmensitzes der "Constantin Film AG" zum beteiligten Landgericht (das überdies auch noch am Firmensitz der "Vodafone Kabel Deutschland" zuständig ist) und die Beschränkung der Verfügung (und damit wohl auch der Hauptsache - auch hinsichtlich Streitwert und damit bei den Kosten) auf genau diesen - ebenfalls in München (LK) ansässigen - Teil von Vodafone, lassen wenigstens noch die Hoffnung offen, daß die Kammer im Hauptsacheverfahren noch einmal genau prüft und das als Urteil keinen Bestand haben wird. Das Urteil des EuGH, auf das sich "Constantin Film AG" hier mutmaßlich stützen will, ist wohl das folgende:
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-04/cp170040de.pdf - und da wird keinesfalls auch verfügt, daß Websperren gegen solche illegalen Angebote nunmehr auch gerechtfertigt und quasi unumgänglich wären.
Gerade angesichts des - von solchen Websperren und der dazu notwendigen Infrastruktur auch ausgehenden - Eingriffs in die vom GG garantierte Informationsfreiheit (aus Art. 5 GG) und dem dort vorhandenen Mißbrauchspotential, wenn das auch noch (wie das NetzDG, was hoffentlich mit seinem "overblocking", das ja auch durch die Presse ging, ein abschreckendes Beispiel ist) in die Hände der Privatwirtschaft gelegt wird (andere Rechteinhaber würden sicherlich mit Verweis auf ein Urteil mit positivem Ausgang für die "Constantin Film AG" gar nicht mehr den Weg über ein ordentliches Gericht nehmen wollen und auch die "Constantin Film AG" würde sicherlich bei weiteren Providern anklopfen und mit Hinweis auf ein solches Urteil ohne viel Federlesen eine solche Sperre verlangen), kann man nur hoffen, daß die Richter am LG München sich auch ihrer Verantwortung wirklich bewußt sind und vor allem, daß sie unabhängig genug sind, um eine sachgerechte Entscheidung zu treffen und die kann einfach (wenn man sich auch mal mit den Publikationen aus 2009 bis 2011 zum ZugErschwG befaßt) nicht darin bestehen, daß künftig nach Aufforderung einer AG durch eine andere AG (also "innerhalb" der Privatwirtschaft) die Informationsfreiheit eingeschränkt werden kann.
Wer trägt eigentlich dann die Verantwortung für "Overblocking" (beim Geheimvertrag aus 2009 war das noch das BKA ... haha - hat schon mal jemand eine substantielle Entschädigung von einer Bundesbehörde innerhalb seiner Lebenszeit erstritten?), wenn irgendein Rechteverwerter zu Unrecht behauptet, irgendeine Seite verbreitet Material, für welches er die Verwertungsrechte hält? Auch das gab es bei entsprechenden Services wie YouTube ja oft genug und während diese Dienste in ihrem Geschäftsmodell auf die Verbreitung von Werken setzen und ihrerseits entsprechende Clearing-Verfahren - auch für Einsprüche gegen Sperren - bereithalten, ist es nun mal das Geschäftsmodell und die Aufgabe der Zugangsprovider, die Daten (neutral) weiterzuleiten und auch §8 TMG (deutsche Gesetzgebung) nimmt sie deutlich von der Verantwortung für die durchgeleiteten Daten aus.
Warum jetzt eine DNS-Abfrage nicht ebenfalls eine solche Durchleitung sein soll, muß man schon mit einiger Böswilligkeit aus § 7 Abs. 4 TMG herleiten, der dankenswerterweise noch in die "Abschaffung" der WLAN-Störerhaftung (gültig seit dem 13.10.2017) eingebaut wurde und hier wohl zum ersten Mal gegen einen Zugangsprovider in Stellung gebracht wird ... dafür spricht (nach meiner Ansicht jedenfalls) auch wieder die Beschränkung auf "Vodafone Kabel Deutschland", weil nur deren "Homespot"- oder "Hotspot"-Angebot ja das einzige wäre (mal von UM und anderen Kabel-Anbietern mit analogem Angebot abgesehen), was überhaupt unter §8 Abs. 3 TMG fallen würde, weil es auf einem "drahtlosen lokalen Netzwerk" beruht und §7 Abs. 4 TMG die Netzsperren auf solche Anbieter wohl eigentlich reduzieren wollte, das aber auch handwerklich irgendwie schlecht gemacht wurde, weil die Formulierung dank Verweis nicht eindeutig ist.
§8 Abs. 3 TMG bezieht zwar die privaten WLANs in den Haftungsausschluß nach § 8 Abs. 1+2 TMG ausdrücklich mit ein, beschränkt aber die Anwendung der Referenz aus §7 Abs. 4 TMG nicht nur auf diese zusätzlich eingeschlossenen Provider, so daß man auch der Ansicht sein könnte, der §7 Abs. 4 TMG gelte auch für "kommerzielle Access-Provider" und die Formulierung:
[...] die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein.
schließe auch DNS-Sperren auf der Ebene eines bundesweit tätigen Zugangsproviders ein. Schon die "Verhältnismäßigkeit" dürfte hier fehlen und die "Zumutbarkeit" liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Das, was hier dazu gedacht war, den Mißbrauch privater WLANs für systematische Verletzungen des Urheberrechts zu verhindern (in erster Linie ja durch das Bereithalten von Inhalten ohne die notwendigen Rechte auf Clients in solchen Netzwerken), wird jetzt wohl kurzerhand auf die Durchleitung von Daten und die DNS-Server eines großen Providers ausgedehnt.
Zumindest sehe ich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für meine Annahmen ... ansonsten gibt es einfach (m.W.) keine deutsche Gesetzgebung, die solche Netzsperren rechtfertigen könnte und wenn das LG München tatsächlich eine einstweilige Verfügung erlassen hat, muß die sich ja auf irgendetwas aus deutschen Gesetzen stützen.
Es ist eben richtig schade, daß die Öffentlichkeit hier so wenig zum Sachverhalt bzw. zum Streitgegenstand/-inhalt erfährt ... das macht es irgendwie erst recht zu einem "Gemauschel". Aber es gab ja auch bei den Änderungen bei der Störerhaftung schon mahnende Stimmen, daß das alles nichts Halbes und nichts Ganzes ist.
Ich mag "kinox.to" auch nicht wirklich - aber schon ein einziges legales Streaming-Angebot auf dieser Plattform würde ausreichen, damit der Zugriff auf diese Plattform genauso geschützt werden muß (schon aus prinzipiellen Erwägungen), wie der Zugriff auf YouTube oder andere Dienste. Da wird ja auch entsprechend gegen die Veröffentlichung von Inhalten vorgegangen, deren Publisher nicht die notwendigen Rechte zur Verwertung hatten ... wenn sich das bei "kinox.to" schwieriger gestaltet, kann das aber noch lange kein Grund sein, ein vollkommen untaugliches Mittel gegen solche Angebote erst einmal "salonfähig" zu machen und die Öffentlichkeit damit auch zu desensibilisieren.
Wenn die Rechteverwerter gegen solche Angebote vorgehen wollen, dann sollen sie das gefälligst auch an deren Quelle machen ... wenn ihnen das zu aufwändig ist, ist das auch ihre eigene Entscheidung. Die gesetzlichen Regelungen geben ihnen sehr, sehr viele Mittel in die Hand (mancher ist sogar der Ansicht, es wären zu viele) - sich da jetzt eine bequeme und vor allem für sie sehr billige "Abkürzung" zu suchen, kann auch nicht im gesamtgesellschaftlichen Interesse sein.
Wobei ich mir des Widerstands von Vodafone gegen dieses Ansinnen auch nicht so richtig sicher bin ... immerhin gehörte Vodafone im April 2009 zu den "Big Five" der in Deutschland tätigen Internet-Provider, die sehr, sehr bereitwillig den als Vorstufe des ZugErschwG geltenden,
geheimen Vertrag mit dem BKA unterzeichneten.
Aber nur dann, wenn Vodafone - sollte die "Constantin Film AG" im Hauptsacheverfahren überhaupt scheitern - entsprechend happige Regreßansprüche wegen der einstweiligen Verfügung geltend macht (die Umsetzung so einer technischen Maßnahme kostet ja auch jede Menge zusätzlichen Aufwand - das geht schon bei der Beauftragung des Designers für diese "Sperrseite" los, die allerdings auch noch handwerklich so schlecht gemacht ist, daß man beim ersten, flüchtigen Lesen den Eindruck gewinnt, das Vodafone-Portal selbst wäre gesperrt) oder sich - wenn die "Constantin Film AG" vor dem LG München tatsächlich obsiegen sollte, dort ist offenbar alles denkbar - gegen die Entscheidung des LG München wehren wird und dagegen in Berufung zum OLG geht, nur dann würde sich die Schweizer AG, die - das darf man zumindest unterstellen - das hier wohl durchgewunken oder gar initiiert hat (immerhin funktioniert so etwas in Österreich ja seit einem OGH-Urteil aus 2014 auch), es beim nächsten Provider vielleicht besser überlegen.
Bisher hält man sich (afaik) bei Vodafone mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren ja wohl mit einer Stellungnahme sehr zurück - auch ein recht ungewöhnlicher Vorgang bei einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung. Das läßt zumindest Raum für die Vermutung, daß es Vodafone am Ende gar nicht so unrecht sein könnte, wenn man auf diesem Weg "gezwungen" wird, bei sich die Infrastruktur für solche Netzsperren auch offiziell einrichten zu müssen.