Warum sollte man auch noch einen ISDN-Anschluss haben wollen?
Weil ein ISDN-Anschluss nur ein Stück Kupferdraht als Verbindung zwischen Teilnehmer und Vermittlungsstelle braucht. Kupferdraht hält Jahrzehnte, geht sehr selten kaputt und lässt sich auch nicht durch elektromagnetische Störungen beeindrucken. Für VoIP braucht man dagegen eine funktionierende Breitbandverbindung, welche wiederum mit Frequenzen arbeitet, für die Telefonleitungen eigentlich überhaupt nicht geeignet sind. Als Folge davon muss sowohl beim Teilnehmer als auch in der Vermittlungsstelle komplexere und damit störanfälligere Technik eingesetzt werden. Auch auf dem Leitungsweg sind Breitbandverbindungen mehr Störeinflüssen ausgesetzt als PSTN-Verbindungen. Konsequenz: die Zuverlässigkeit von PSTN-Anschlüssen ist vielfach besser als die von NGN-Anschlüssen. An manchen Standorten führen die Störeinflüsse dazu, dass überhaupt keine Breitbandverbindung und somit auch kein NGN-Anschluss bereitgestellt werden kann. Mit PSTN gibt es dieses Problem nicht. Außerdem bekommt einen PSTN-Anschluss auch Oma Krawuttke zum Laufen (Telefon einstöpseln, fertig). Bei der Einrichtung eines NGN-Anschlusses lauern erheblich mehr Fallstricke, auch wenn die Einrichtung meistens vom Provider aus der Ferne vorgenommen wird. Die Existenz dieses Forums ist beispielsweise ein Indiz für diese Fallstricke. Gäbe es keine Probleme, müsste man sich nicht über IP-Telefonie austauschen. Von einem PSTN-Forum ähnlicher Größenordnung und Besucherzahl ist mir dagegen nichts bekannt.
VoIP ist eine brauchbare Lösung für hochbitratige IP-Verbindungen mit kurzen Latenzen, wie man sie beispielsweise im LAN vorfindet. Solange nicht
jeder Teilnehmer (auch Oma Krawuttke und Bauer Hinrichs Einödhof) über einen Breitbandanschluss mit den Eigenschaften einer LAN-Verbindung verfügt (dazu müsste jedes Gebäude im ganzen Land mit FTTH oder LTE ausreichender Kapazität erschlossen sein), ist NGN nicht geeignet, um herkömmliche Anschlüsse flächendeckend zu ersetzen.
Telekom IP ist, solange man kein Kartenterminal betreibt, in meinen Augen besser, da die Sprachqualität u. U. besser ist als bei ISDN (G722, wenn verfügbar)
In der Theorie ja, in der Praxis aus den beschriebenen Gründen nein. Ich nutze sowohl VoIP als auch herkömmliches ISDN und auch bei den Leuten, die ich regelmäßig anrufe, werkelt die ganze Palette an Anschlusstechniken vom einfachen Analoganschluss über ISDN, NGN via DSL, Mobilfunk und Breitbandkabel. Die einzige Technik, die eine Verbindungsqualität erlaubt, die wenigstens annähernd mit ISDN mithalten kann, ist ein herkömmlicher Analoganschluss. Auch NGN via Breitbandkabel (H.323) ist noch ganz ok. Alles andere fällt qualitativ derart ab, dass ich fast immer richtig liege, wenn ich angesichts von Laufzeitverzögerungen, eigenartigen Artefakten und verschluckten Silben auf NGN via DSL tippe.
und man angeblich die Rufnummern auch nomadisch einsetzen kann
"Nomadisch" beschränkt sich bei der Telekom auf Telekom-Zugänge. Über Zugänge anderer Anbieter kann man die Zugangsdaten von Telekom-IP-Anschlüssen nicht nutzen, was die nomadische Nutzung auf Deutschland beschränkt. Mit einer Kombination aus ISDN für zuhause und einem oder mehreren VoIP-Accounts für unterwegs fährt man erheblich besser. Fritzbox-Besitzer können sogar ihr eigener VoIP-Provider sein, indem sie per Konfigurations-Hack (reg_from_outside) den SIP-Server der Fritzbox von außen erreichbar machen. Wenn die Fritzbox dann noch an einem ISDN-Anschluss hängt, steht einer weltweiten, nomadischen ISDN-Nutzung nichts mehr im Wege.
Grüßle
Der Mikrogigant