Hier stellen sich eine Reihe von Fragen, die jedoch nicht alle nur technisch sind.
Im Prinzip würde es aus meiner Sicht ausreichen, wenn man irgendwo anruft und dann sicher sein könnte, in Off-Peak-Zeiten - aber am gleichen Tag - einen Rückruf zu erhalten. Das entspricht dem Modell der Ticket-Systeme, bei denen im Prinzip nur eine Rückrufnummer, ein Kundennummer, ein Anrufgrund und ggf. ein Dringlichkeitslevel erfasst wird. Alternativ gibt es eine E-Mail, ein Webformular oder eine Maske in einem kundenzugänglichen Ticket-System für die Erfassung mind. dieser Daten. Das reicht aus, um den Rückruf später einzuplanen und durchzuführen bzw. vielleicht sogar gleich die Aktion auszuführen und dem Kunden nur zu sagen: erledigt. In der Tat wird von vielen Rechenzentrumsbetreibern (intern in Unternehmen und unabhängig als Managed Services) dies so erfolgreich und effektiv durchgeführt.
Das erste Problem ist jedoch der Kunde. Kunden wollen ihre Probleme unmittelbar und jetzt sofort und ganz dringend einer anderen Person mitteilen. Sie wollen nicht warten, aber der Drang der Mitteilung verleitet sie dazu, auch mal eine halbe Stunde in der Warteschleife zu hängen. Eigentlich ist dies Nonsense.
Das zweite Problem ist jedoch der Dienstleister bzw. Produkthersteller, in dessen Warteschleife man sich befindet. Man vertraut dem einfachen Abgeben einer Meldung per Ticket-System nicht genug. In der Tat liest man auch immer wieder bei den einschlägigen Firmen im ISP-Bereich, daß auf viele Tickets nicht oder nur sehr verzögert bzw. mit sinnfreien Standardnachrichten geantwortet wird. Das hilft nicht, Kunden zur Nutzung von Offline-Meldungen zu verleiten.
Die kostenfreie Warteschleife ist also per se nicht wirklich ein Problem - man könnte sie ohne weiteres auch heute durch ein entsprechendes Service-Billing herstellen. Das Problem ist der Service selbst, seine Reaktivität und Kompetenz (oder das Fehlen davon), bzw. daraus resultierend eine Kundeneinschätzung der verschiedenen Wege.
Es ist somit nicht überraschend, daß im Massengeschäft von ISPs diese Probleme auch massiv auftreten, während im Geschäft der durch Service Levels vertraglich definierten Supportverfügbarkeit und -leistungen von RZ-Betrieben dies perfekt funktioniert.
Natürlich plädiere ich nicht dafür, Schnittstellen dieser Art komplett durch Offline-Verfahren zu ersetzen. Das funktioniert nur für bestimmte Arten der Mitteilungen - Fehler, Status, Fortschritt... nicht jedoch für das Einholen komplexer Informationen im Dialog. Jeder, der beruflich schon mal mit Support, der nach Bangladesh oder Indien oder Sri Lanka ausgelagert wurde, zu tun hatte, weiß davon ein Lied zu singen.
Es geht also meiner Meinung nach überhaupt nicht um das Thema der kostenfreien Warteschleifen (das ich als solches bereits in die Kategorie Sommerloch einstufen und ebenso ablehnen würde), sondern zunächst um glaubwürdige Servicequalität von Unternehmen, dann um die Nutzung der jeweils adäquaten Kommunikationsmittel durch Kunden, und zuletzt um die verläßliche Bearbeitung von Anfragen. Wenn dieser Ablauf stimmt, dann brauchen wir auch keine kostenfreien Warteschleifen mehr, da wir unsere Zeit besser verbringen können
--gandalf.